Was Craft Bier und Manufaktur-Kaffee gemeinsam haben

Dr. Steffen Schwarz betreibt eines der größten Forschungs- und Trainingszentren für Kaffee. Er ist ein leidenschaftlicher Kaffeeliebhaber, dessen Kolumne wir Ihnen gerne zur Inspiration empfehlen.

Zunächst klingt es verrückt, aber Craft-Bier und Manufaktur-Kaffee haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheinen könnte.

Kaffee und Bier zählen zu den beliebtesten Getränken in Deutschland - Bier hat in den letzten Jahren zwar im kommerziellen Sektor an Beliebtheit eingebüßt, so sind nicht zuletzt die Konsumzahlen von 142,7 Liter pro Kopf (1990) auf 115,3 Liter (2005) und zuletzt auf 105,9 Liter (2015) eingebrochen. Kaffee hingegen hat bereits vor 10 Jahren eine steigenden Tendenz aufgenommen und liegt inzwischen bei über 165 Liter Pro-Kopf-Konsum.

Dort haben trendige Coffeeshops seit Ende der 90’er Jahre das Image von Kaffee aus der Plüschecke herausgeholt und zu einem neuen Trendprodukt gemacht - in vielen Werbungen ist Kaffee und auch der „Coffee-to-go“ inzwischen regelrecht zu einem Stilmittel geworden. Den Coffeeshops folgten inzwischen viele kleine regionale Röstereien und damit auch das Bewußtsein von immer mehr Verbrauchern um Kaffeegeschmack.

Craft-Biere sind in Deutschland jünger und erst seit rund 10 Jahren auf dem Markt zu finden. Dennoch ist auch hier inzwischen eine vermehrte Tendenz zu Craft-Bieren zu erkennen. Fast jeder vierte Deutsche ist inzwischen mit Craft-Bieren in Kontakt gekommen. Da der allgemeine Bierdurst der Deutschen schwindet, stellt Craft-Bier eine willkommene Abwechslung dar, die ganz neue Geschmackswelten darbietet und dem rückläufigen Biermarkt neue Impulse verleiht.

Sowohl die deutlich heller gerösteten Manufaktur-Kaffees, als auch Craftbiere zeichnen sich durch eine ausgeprägte Fruchtigkeit und eine klare aber balancierte Bitterkeit aus. Die Bitterkeit wird bei den Bieren allerdings anders betont und herausgearbeitet als bei den Manufakturkaffees. So finden sich deutliche höhere IBU-Werte (International Bitter Units) in Craftbieren als in kommerziellem Bier. Geschmacklich haben die beiden Getränke also viel gemeinsam - ebenso die Renaissance der Herstellung in kleinen, handwerklichen Betrieben. Aromahopfen und Single Estate Kaffees sind die Sieger des Wettkampfes um die Gunst des Connaisseurs und haben für beide Produkte neue Preisdimensionen eröffnet.

Die Gastronomie offeriert in neuen Brasserien selbst eingebraute oder regional hergestellte Craftbiere, die ebenso wie regional oder neuerdings sogar selbst-gerösteter Kaffee die Kompetenz der Betriebe unterstreichen und zugleich eine USP (Unique Sales Position) für die Betriebe bieten. Die Betriebe verkaufen inzwischen zusätzlich zum Ausschank vor Ort auch Bohnenkaffee oder Biere für den Hauskonsum - und haben damit ein neues Einkommensfeld generiert.

Ein wunderbares Beispiel hierfür ist die Brasserie „Mangold“ in Heilbronn, in der sowohl diverse Craftbiere als auch hausgerösteter Kaffee unter dem Label „Neckargold“ angeboten werden. Das Mangold verwendet dabei einen exklusiven Parzellenkaffee (Cachoeira) der Fazendas Dutra in Brasilien. Transparenz, Handwerk und Regionalität pur.

Zahlreiche gastronomische Betriebe bieten inzwischen Craftbiere oder hochwertige Kaffees aus Manufakturröstereien an - mit großem Erfolg und immer weiter steigenden Abverkaufszahlen - kein Wunder vor dem Hintergrund eines Marktes, in dem balancierte, fruchtige Bitterkeit eine neue Mode darstellt.

Diese neue Präferenz war der ideale Nährboden für den „Cold Brew“, den kalt gebrühten (gefilterten oder ausgelaugten) Kaffee. Vor über 10 Jahren noch eine Randerscheinung auf dem Asiatischen Markt, dem damals in Sachen Kaffee und Kaffeetrends noch niemand Beachtung schenkte. Die aufwendigen „Cold Drip“-Apparaturen wirkten wie Relikte aus alchimistischen Laboren und die fruchtigen Töne mit Noten von Kirschen, Steinobst und Gewürzen hatten für Europäische Betrachtung nichts mit Kaffee zu tun und würden niemals einen Trend in Europa darstellen können.

Diese Einschätzung war wie so häufig in Sachen neuer Kaffeetrends eine Fehleinschätzung. Ebenso totgesagt wurden Coffeeshops und Coffee to go - beide haben sich inzwischen fest etabliert und der gesamten Branche ein neues Image verpaßt.

Cold Brew wird in den USA inzwischen in Dosen und Flaschen abgefüllt als belebendes Erfrischungsgetränk angeboten und inzwischen sogar mit Stickstoff oder Kohlensäure versetzt gezapft. Insbesondere der Stickstoff verleiht dem Cold Brew eine einzigartige, reichhaltige cremige Struktur und eine herausragende Fruchtigkeit und Süße.

Es ist also an der Zeit, einmal diesen neuen Kaffeetrend ebenso wie gute Craftbiere oder den Manufakturkaffee - ganz gleichgültig ob als hochwertigen Filterkaffee, Café Crème (aus der Kolbenkaffeemaschine) oder als Espresso oder Cappuccino zu erleben und damit eine ganz neue Geschmackswelt zu entdecken.

Neue Produkte, die zwei Getränkeklassikern zu neuen Dimensionen verhelfen - und das sollte wirklich niemand verpassen!